Handeln aus Mitgefühl heißt: Handeln im Bewusstsein, dass „Patient“und „Behandler“ nur Rollen sind, diese aber in Wahrheit im gleichen Boot sitzen (auch wir selbst und unsere Angehörigen sind sterblich!). Mitgefühl zu empfinden heißt: sich seiner eigenen Verletzlichkeit bewusst zu sein.
Als menschliche Wesen sind wir äußerst verletzlich, körperlich wie psychisch. Und wir sind uns dessen bewusst. Wir versuchen vielleicht, uns Schutzmauern aufzubauen oder durch Kontrollmechanismen eine vermeintliche Sicherheit aufzubauen, aber im Grunde sind wir gegen das, was das Leben mit sich bringt, schutzlos. Wenn wir uns unserer absoluten Verletzlichkeit bewusst werden (irgendwann stirbt dieser Körper), wenn wir uns eingestehen, dass es keinen wirklichen Schutz vor dem Ungewissen und Unberechenbaren gibt, dann bleibt uns nur eines: Vertrauen.
Vertrauen in dieses Leben, das doch so unfassbar ist. Vielleicht erfahren wir dann auch, dass wir mehr sind, als nur dieser Körper und diese Psyche. Dass wir Teil eines großen Ganzen sind, das wir mit unserem Denken nicht erfassen können. Wenn wir uns in solcher Weise unserer Verletzlichkeit bewusst werden, werden wir durchlässig für das Wissen um das Eingebunden sein ins Leben.
Mitgefühl ist eigentlich kein Gefühl, sondern eine Haltung – ein sich-verbunden-Wissen. Wenn wir aus Mitgefühl handeln, dann wollen wir nicht helfen, weil uns jemand Leid tut oder wir uns etwas beweisen wollen. Wir handeln, weil es einen Impuls gibt aus dem verbunden-Sein in Verletzlichkeit.
Eine Haltung des Mitgefühls drückt sich aus durch Achtsamkeit, Respekt vor dem Gegenüber und vor seinem Schicksal, Offenheit und Zugewandtheit.
Im Mitgefühl verbunden sein heißt, die Schwingungen des Gegenübers wahrzunehmen und Anteil daran zu nehmen, ohne sich damit zu identifizieren.
Mitgefühl heißt: Einen starken Rücken, aber ein offenes Herz zu haben.
Mitgefühl stellt ein zentrales Moment in der Begleitung Sterbender und derer Angehöriger dar.
Literaturhinweis
Wer sich eingehender mit Mitgefühl beschäftigen will, sei auf das Buch „Mitgefühl – In Alltag und Forschung“ von Tania Singer und Matthias Bolz (Hrsg.) hingewiesen. Das Buch kann kostenfrei in verschiedenen Formaten heruntergeladen werden:
http://www.compassion-training.org
Darin enthalten ist ein Lehrplan für die professionelle Weiterbildung
in mitfühlender Sterbebegleitung „Being with Dying“, welcher u.a. auf dem „A.B.I.D.E Compassion Model“ von Joan Halifax beruht.