Man unterscheidet zwischen der Herkunftsfamilie und der Familie, die man selbst gegründet hat. Die Herkunftsfamilie ist das primäre soziale System, in das wir hineingeboren werden. Wir sind mit unserer Herkunftsfamilie verbunden, auch wenn die Beziehungen eher negativ geprägt sind oder kein Kontakt mehr besteht. Es mag daher am Lebensende auch wichtig sein, sich von einer Familie zu verabschieden, die mit Leiderfahrung verbunden war. Ob und auf welche Weise dies geschieht, obliegt allein der Entscheidung des Patienten. Unterstützend können etwa das psychologische oder seelsorgerische Gespräch (Biographiearbeit, Dignity Therapy etc.) sein, es kann aber auch zur Kontaktaufnahme mit der Familie kommen.
Die einzelnen Familienmitglieder sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden, nehmen unterschiedliche Familienrollen ein. Es herrschen familientypische Kommunikationsmuster und Rollenverteilungen. Die Familie ist durch eine gemeinsame Geschichte geprägt, wobei auch transgenerationale Muster von Bedeutung sind.
Es kann hilfreich sein, sich als Arbeitsmodell einen idealtypischen Verlauf einer Familienentwicklung zu vergegenwärtigen, um die möglichen Themen einzelner Familienmitglieder für die aktuelle Situation im Blick zu behalten:
Anmerkung zum Familienzyklus:
Carter und McGoldrick unterscheiden 6 Stadien der Familienentwicklung: 1. Verlassen des Elternhauses, 2. Verbindungen eingehen – Heirat, 3. Familie mit jungen Kindern, 4. Familie mit Jugendlichen, 5. Entlassen der Kinder und nachelterliche Phase, 6. Familien im letzten Lebensabschnitt.
Die Bedeutung des Sterbens wird dabei möglicherweise unterschätzt, denn der Tod betrifft nicht nur die (idealtypisch) alten Eltern, sondern auch die erwachsenen Kinder und ebenso die Enkelkinder. Dies wurde in der Grafik entsprechend ergänzt. Deutlich wird aber auch, dass eine Familie über vielerlei Verlusterfahrungen verfügt.
In der palliativen Begleitung ist es wichtig, den familiären Hintergrund des Patienten mit einzubeziehen und die Art und Weise, wie die Familie miteinander lebt, zu respektieren. Das heißt, dass ein Behandler durchaus auf konflikthafte Themen innerhalb der Familie aufmerksam machen darf und soll (sofern diese relevant für die palliative Situation sind), dass er dabei aber weder über einzelne Familienmitglieder urteilen, noch sich mit jemandem aus der Familie solidarisieren soll. Eine Haltung der Wertneutralität und Allparteilichkeit braucht die Reflexion über die eigene(n) Familienrolle(n), da die Dynamik einer Patientenfamilie immer dazu einlädt, eigene unbearbeitete Themen auf diese zu projizieren (s. Demut).