palliativ+ Wenn Kriegskinder sterben … und Kriegsenkel sie begleiten

Lange Zeit waren die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die deutsche Bevölkerung kein Thema. Die Deutschen waren die Täter und Schuld an dem Leid, das sie nicht nur über andere, sondern auch über sich selbst gebracht hatten. Das Psychoanalytiker-Ehepaar Mitscherlich diagnostizierte „die Unfähigkeit zu Trauern“. Die Deutschen waren mit dem Aufbau und mit der Verarbeitung der Schuld beschäftigt; sich selbst als Opfer zu sehen, war tabu.

Seit ca. einem Jahrzehnt ändert sich aber der Blick: Diejenigen, die während des Kriegs noch Kinder oder Jugendliche gewesen waren, haben Narben davongetragen. Die „Kriegskinder-Generation“ – diejenigen, die in den Jahren kurz vor oder während des Krieges geboren wurden – haben wenig über ihre Traumatisierungen gesprochen, vielen waren diese selbst überhaupt nicht bewusst.
Neuere Forschungen zeigen, dass es bestimmte Muster gibt, die diese Generation kennzeichnen. Das Erleben von Flucht, Hunger, Bombenangriffen, der Anblick von Toten und Verwundeten, der Verlust von oder die ständige Angst um Angehörige haben Spuren im Denken, Fühlen und Verhalten hinterlassen. Und diese Muster haben sich systematisch auf die nächste Generation – die „Kriegsenkel“ – ausgewirkt. Die Kriegsenkel beginnen nun, dieses Geschehen zu reflektieren. Es gibt viel Literatur zum Thema, Tagungen werden veranstaltet, Kriegsenkelgruppen gegründet, um die transgenerationalen Muster zu durchbrechen und sich aus Verstrickungen zu lösen.

In der Palliativversorgung treffen nun die Kriegskinder als Patienten auf die Kriegsenkel als Behandler.

Dieses Seminar soll Gelegenheit geben, Erfahrungen aus der palliativen oder hospizlichen Praxis bezüglich dieses Themas miteinander auszutauschen. Die Dynamik zwischen Kriegskindern und Kriegsenkeln soll außerdem durch Aufstellungsarbeit sichtbar gemacht werden. Gearbeitet wird einerseits mit thematischen Aufstellungen, durch welche die Bedeutung von Schuld- oder Hilflosigkeitsgefühlen erfasst werden kann, andererseits mit Familienaufstellungen, durch welche sich einzelne Teilnehmer über Zusammenhänge zwischen ihrem eigenen Leben und der (Kriegs-)geschichte ihrer Eltern bewusst werden können.
Teilnehmer, die bestimmte Themen oder Fälle bearbeiten wollen, werden gebeten, diese vorab einzureichen.
Teilnehmer, die die Gelegenheit zur Familienaufstellung nutzen wollen, werden um einen Vorabkontakt gebeten, damit das grundsätzliche Vorgehen besprochen werden kann.

Durch das Seminar soll zusammentragen werden, worauf bei der Begleitung von Sterbenden mit diesem Hintergrund zu achten ist und was wir als Behandler bezüglich dieses Themas selbst brauchen, um gut begleiten zu können.

Zu dem Seminar sind auch Personen eingeladen, die sich mit der Kriegskinder/Kriegsenkel-Thematik auseinandersetzen wollen und Interesse daran haben, dieses Thema auch in Hinblick auf dessen Bedeutung am Lebensende zu beleuchten.

Es gibt auch die Gelegenheit, an den Aufstellungen kostenfrei als Stellvertreter teilzunehmen! Die Aufstellungen finden am Montag, 29.04., und am Dienstag, 30.04., zwischen 15 Uhr und 21 Uhr statt.

Buchungen

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